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JAHRESTAGUNG
DER DTTG 1998 3. - 5. September 1998,
Greifswald Berichte der DTTG e.V. - Band
6
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Quantitative Röntgenphasenanalyse mit den Rietveld- Programmen BGMN
und AUTOQUANT in der täglichen Laborpraxis
R. Kleeberg1 & J. Bergmann2
1Mineralogisches Institut der TU Bergakademie Freiberg, Brennhausgasse
14, 09569 Freiberg
2Ludwig-Renn-Allee 14, 01217 Dresden
ABBILDUNGEN & TABELLEN |
Abb. 1 |
Tab. 1 |
Abb. 2 |
Tab. 2 |
Abb. 3 |
Tab. 3 |
Abb. 4 |
Tab. 4 |
Zusammenfassung
Die speziell für die quantitative Phasenanalyse konzipierten Modelle
und Me thoden in den Rietveld-Programmen BGMN/AUTOQUANT werden vorgestellt.
Die Arbeitsweise der Programme und die Behandlung von methodischen Pro
blemen wird an Beispielen demonstriert. Auch für eine Reihe von tonmineralogischen
Aufgabenstellungen ist bereits eine nahezu vollautomatische quantitative
Phasenanalyse möglich. Die Anwendung des Rietveld-Verfahrens im Routine
betrieb kann auch die qualitative Analyse erleichtern.
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Einleitung
Die Methode der quantitativen Röntgenphasenanalyse ist bekannt für
eine Reihe von Fehlerquellen, wie sie seit den 50er Jahren immer wieder
diskutiert werden. Das Rietveld-Verfahren besticht durch seinen oft gerühmten
Vorzug, einen Teil der Probleme (z.B. Linienüberlagerung, Kornstatistik,
Vorzugsorientierung) zu entschärfen bzw. in seinen Modellansätzen
zu beherrschen. Trotzdem hat sich die Rietveld-Methode noch nicht vollständig
durchgesetzt. Ein wesentlicher Grund dafür ist die problematische
Handhabung der traditionellen Programme. Deren Anwendung setzt kristallografische
Kenntnisse voraus und erfordert ein tiefes Verständnis für die
ablaufenden Algorithmen und angewandten Modelle. Erschwerend sind auch
die numerischen Instabilitäten der konventionellen Programme, die
den frustrierten Analytiker mit abgestürzten Rechnungen oder physikalisch
unsinnigen Ergebnissen vor dem Bildschirm zurücklassen.
Unsere Bestrebungen waren darauf gerichtet, ein stabiles und auf die
Bedürfnisse der quantitativen Phasenanalyse ausgerichtetes Programm
zu schaffen. Die entscheidende Eigenschaft eines Programms im praktischen
Einsatz ist dabei die Robustheit gegenüber ungenauen oder falschen
Startparametersätzen. Ein in der Phasenanalyse eingesetztes Programm
sollte:
-
ohne Nutzereingriff alle intensitätsrelevanten Parameter bis zum Minimum
verfeinern
-
die Berechnung physikalisch unsinniger Parameter (z.B. extreme Linienbreiten,
sinnlose Gitterkonstanten, zu große Texturkorrektur faktoren ...)
verhindern
-
die Rechnung auch erfolgreich beenden, wenn eine im Startdatensatz angegebene
Phase nicht in der Probe vorhanden ist
-
eine leicht zu handhabende Sammlung von Startstrukturen verwalten
-
eine nutzerfreundliche Bedienoberfläche besitzen.
Wir möchten zeigen, daß die Programme BGMN/AUTOQUANT diese Eigenschaften
aufweisen und in der Lage sind, mineralogische und auch tonmineralogische
Aufgabenstellungen im täglichen Laborbetrieb zu lösen.
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Das Programmsystem BGMN/AUTOQUANT
Über die Modelle und Methoden des Rietveld-Programms BGMN wurde bereits
an mehreren Stellen berichtet (Bergmann et al. 1997; Kleeberg
1996). Die für die quantitative Phasenanalyse entscheidenden Unterschiede
zu traditionellen Rietveld-Programmen bestehen in:
-
dem völlig neuen Peakprofilmodell, das den Einfluß unterschiedlicher
geometrischer Verhältnisse auch bis zu kleinen Beugungswinkeln gut
beschreiben kann
-
dem verwendeten Minimierungsalgorithmus, der die Begrenzung aller Parameter
auf physikalisch sinnvolle Wertebereiche gestattet
-
der Anwendung von Kugel-Flächen-Funktionen verschiedener Ordnung zur
Texturkorrektur
-
der Möglichkeit der Berechnung zufälliger Fehler für alle
Parameter und daraus berechnete Größen, z.B. für die Phasenanteile
-
der eingebauten Interpretersprache, die u.a. die Beschreibung von Fehlordnungen
ermöglicht (Bergmann & Kleeberg 1997; Kleeberg
& Bergmann 1997).
Da das Programm BGMN auch eine Vielzahl anderer Funktionen z.B. für
die Strukturanalyse und die statistische Versuchsplanung besitzt und einer
ständigen Weiterentwicklung unterliegt, wäre eine universelle
grafische Benutzeroberfläche für alle Einsatzzwecke unübersichtlich
und kaum zu realisieren. Daher werden dem Programm BGMN (wie vielen anderen
Rietveld-Programmen auch) die Eingaben über Steuerdateien mitgeteilt
und die Ergebnisse entsprechend entnommen.
Um eine möglichst komfortable Bedienung speziell für den Einsatz
in der quantitativen Phasenanalyse zu gestatten, wurde das Programm AUTOQUANT
entwickelt. Es besteht im wesentlichen aus:
-
einer grafischen Oberfläche zur Zusammenstellung der analytischen
Aufgabe (der Steuerdatei)
-
einer Datenbankverwaltung für Startstrukturen, Geräteprofile
und bearbeiteten Analysen
-
einer grafischen Ergebnisausgabe für die Phasenanteile
-
einer zugänglichen Ergebnisdatei mit den Ergebnissen für alle
Para meter
-
einer Ausgabe der Meß-, berechneten und Differenzkurve während
der Rechnung mit der Möglichkeit des Einblendens von Peaklagen der
Startstrukturen.
Durch die Datenbankstruktur wird die Funktionsauswahl auf das Aufgabengebiet
der quantitativen Phasenanalyse eingegrenzt (z.B. sind keine Temperaturfaktoren
oder Atomkoordinaten zu verfeinern), aber das Programm wird auch für
den Nicht-Kristallografen leicht bedienbar. In den folgenden Abschnitten
soll die praktische Arbeit mit dem Programm anhand einiger Beispiele erläutert
werden.
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Berechnung der Geometriefunktion
Dieser Schritt wird nur einmal für eine gegebene Geräteanordnung
ausgeführt. Eingegeben werden in einem Dialogfenster die sogenannten
”fundamental parameters”, z.B. Meßkreisradius, Blendenmaße,
Probenabmessungen, evt. Kopplungsformel für Automatikblenden, Fokusmaße
usw. und eine geschätzte mittlere Eindringtiefe, die bei silikatischem
Material meist nur von geringem Einfluß auf das geometrische Peakprofil
ist. Die Ergebnisse der Monte-Carlo-Simulation der Profile werden in der
Datenbank als ”Geräteprofil” abgelegt und dann zur ent sprechenden
Messung angewählt. Es können herkömmliche Bragg-Brentano-Anordnungen
mit Festblende oder automatischer Blende, Debye-Scherrer-Geometrien mit
flacher Probe oder Kapillartechniken modelliert werden. Beispiele für
die erfolgreiche Beschreibung z.T. extremer Gerätefunktionen finden
sich unter http://www.mineral.tu-freiberg.de/mineralogie/bgmn/index.html.
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Messungen
Die Anforderungen an die Qualität der Meßdaten für das
Rietveld-Verfahren sind allgemein bekannt und können hier nicht ausführlich
diskutiert werden. Es sei nur darauf hingewiesen, daß auf Grund des
Profilmodells auch durch Geräteeinfluß stark asymmetrische Reflexe
korrekt angepaßt werden und daher durch aus auf einen zweiten Soller-Kollimator
verzichtet oder mit größerer Divergenz blende gemessen werden
kann. Durch den Intensitätsgewinn kann die Meßzeit entsprechend
verkürzt werden. BGMN kann Meßdaten verschiedener Formate verwenden.
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Untergrundkorrektur
BGMN verwendet standardmäßig eine spezielle Polynomanpassung
mit variabler, vom Programm selbst gewählter Parameterzahl. Es gab
in 3 Jahren Laborpraxis noch nie die Notwendigkeit eines Eingriffs, obwohl
zum Teil schwierige Untergrundverläufe anzupassen waren. In BGMN besteht
außerdem die Möglichkeit des Einlesens von skalierbaren Messungen
als Untergrunddatei, aber auf Grund der o.g. Erfahrung wurde in AUTOQUANT
diese Option nicht zugänglich gemacht. Zur Untergrundbeschreibung
sind demzufolge keinerlei Eingaben notwendig.
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Mikroabsorptionskorrektur
Der Einfluß des Absorptionskontrastes zwischen einer stark absorbierenden
Phase und der Gesamtprobe auf die Intensitätsverhältnisse sind
seit langem be kannt (Brindley 1945). Es existiert bis zu einem
bestimmten Produkt aus Korn größe und linearem Schwächungskoeffizient
die Möglichkeit der rechnerischen Korrektur. Dazu benutzen die Programme
eine Näherungsformel nach Brindley (1945) und stellen den berechneten
linearen Schwächungskoeffizienten bereit. In der Praxis stellt nun
die Schätzung der mittleren Korngröße (für jede Phase)
in der präparierten Probe ein unlösbares Problem dar. Eine intensive
Mahlung der Probe auf Korngrößen unter 1 µm, die für
die meisten Substanzen und die üblichen Strahlungen die Korrektur
vernachlässigbar klein machen würde, verbietet sich in der Tonmineralogie
wegen den unausweichlichen Fehlordnungs- und Amorphisierungserscheinungen.
Wir haben daher versucht, experimentell die Fehler bei konventioneller
Probenvorbereitung und falscher bzw. fehlender Mikroabsorptionskorrektur
abzuschätzen. Dazu wurden Quarz (< 20 µm) und Pyrit (in verschiedenen
Trockensiebfraktionen) im Verhältnis 1:1 gemischt, mit Cu- und Co-Strahlung
gemessen und mit AUTOQUANT unter Annahme verschiedener (falscher) geschätzter
Korngrößen ausgewertet. Die Ergebnisse sind in Tab.
1 und 2 dargestellt.
Die Ergebnisse zeigen klar die Bedeutung der Mikroabsorption. Der große
Absorptionskontrast zwischen Silikaten und Eisenmineralen führt mit
Kupferstrahlung zu völlig unüberschaubaren Verhältnissen
(Tab. 1). Pyrit kann in tonigen Sedimenten sowohl
als große Konkretion bzw. in Einkristallen als auch feinverteilt-framboid
auftreten. Sein Zerkleinerungsverhalten ist, vor allem im Gemisch mit unterschiedlichem
Material (Quarzsand oder Ton!), nicht vorhersagbar. Alle angegebenen Korngrößen
könnten zutreffen, wobei 20-30 µm wohl den ”Super-GAU” darstellt.
Relative Fehler für den Pyritgehalt von 40 % sind bei falscher Korngrößenschätzung
möglich, ohne Korrektur wird Pyrit mindestens um 10 % relativ unterbestimmt.
Dagegen sind die Verhältnisse mit Cobalt-Strahlung (Tab.
2) deutlich günstiger. Sieht man vom ungünstigsten Fall 20-30
µm ab, würde man bei geschätzen Korngrößen von
2-5 µm maximal 10 % relativ vom korrekten Wert nach oben oder unten
abweichen. Daraus haben wir unser Vorgehen in der Praxis abgeleitet: so
fein wie möglich (< 20-30 µm) mahlen, Co-Strahlung verwenden
und mit Mikroabsorptionskorrektur (2-5 µm) rechnen.
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Tab. 1: Ergebnisse der
quantitativen Phasenanalyse an Mischungen von 50 % Quarz mit 50 % Pyrit,
Cu- Strahlung
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Tab. 2: Ergebnisse der
quantitativen Phasenanalyse an Mischungen von 50 % Quarz mit 50 % Pyrit,
Co-Strahlung
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Korrektur von Vorzugsorientierungen (Texturkorrektur)
Die in BGMN verfügbaren Kugel-Flächenfunktionen bis maximal 10ter
Ord nung ermöglichen die Korrektur sehr starker Vorzugsorientierungen
auch im Falle von mehreren bevorzugten Orientierungen. Die Parameterzahl
wird an die Laue-Gruppe angepaßt und kann sehr hoch sein. Die Funktionen
sind zwar positiv definit, was eine Berechnung negativer Intensitäten
ausschließt, aber ihr Wertebereich kann nicht selektiv eingegrenzt
werden. Somit besteht eventuell für Phasen mit geringer Intensität
die Gefahr der Berechnung extremer und sinnloser Korrekturparameter. Da
die Skalierungsfaktoren und damit die Phasen anteile aus den gemittelten
Wichtungsfunktionen berechnet werden, können da durch Fehler in der
quantitativen Phasenanalyse auftreten. Aus diesem Grund wurde ein Prüfalgorithmus
eingebaut, der nach der Anpassung der isotropen Parameter für jede
Phase testet, ob genügend Intensität für die Anwendung des
vorgewählten Korrekturmodells zur Verfügung steht. Ist das nicht
der Fall, wird die Ordnung der Korrekturfunktion automatisch (im Extremfall
bis zur Isotropie) reduziert. Dadurch kann die Rechnung unabhängig
vom Anteil der Phase in der Probe mit dem schwierigsten noch sinnvollen
Modell begonnen werden. Die Ordnung der Kugel-Flächen-Funktion wird
mit der Startstruktur in der Datenbank eingetragen, die Angabe von strukturspezifischen
Mindestintensitäten für die automatische Reduzierung ist möglich.
Eine Kontrolle der berechneten Korrekturmodelle ist einfach, da in der
Peakliste für jede Interferenz der Korrekturfaktor gegenüber
einer regellosen Orientierung ausgegeben wird. Erfahrungs gemäß
weisen Werte über 3 oder unter 0.5 entweder auf ein zu komplexes Modell
oder auf sehr schlechte Probenpräparation hin.
Ein Beispiel für die Arbeit des Programms AUTOQUANT mit starken
Vorzugsorientierungen ist die Analyse von Dachschieferproben. Die Messungen
erfolgten in konventionellen, von vorn zu füllenden Pulverküvetten
ohne besondere Vorkehrungen zur Vermeidung von Vorzugsorientierungen. In
den Startstrukturen kann sinnvoller Weise für die Schichtgitterminerale
Muskovit, Paragonit und Chlorit ein Texturmodell 2ter Ordnung (SPHAR2,
stark ausgeprägtes Ellipsoid) angesetzt werden. Die Feldspäte
mit ihrer bekannten mehrfachen Spaltbarkeit werden mit 6ter Ordnung gestartet,
Karbonate mit 4ter Ordnung. Im vorliegen den Beispiel wurden vom Programm
folgende Reduktionen vorgenommen:
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Abb. 1: Anpassungsergebnis
der Rietveldanalyse für die Dachschieferprobe Gato Mexon
Co-Ka-Strahlung, 5-80 °2Q,
Schritt 0.03, 5 sec; 2501 Meßpunkte, 914 Reflexe, 76 freie Parameter,
Rechenzeit 11 min 50 sec
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Tab. 3: Anwendung von
Texturmodellen für Probe Gato Mexon
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Zu beachten sind die extremen, aber annähernd gleichen Texturkorrekturfaktoren
für die beiden Schichtgitterminerale. Die Zahl von 76 freien Parametern
schließt alle Gitterparameter, die Fe-Mg-Besetzungen der Oktaederpositionen
im Chlorit, die K+-Besetzung im Muskovit, Verbreiterungsanteile
durch Kristallitgrößeneinfluß und Gitterspannungen für
alle Phasen und die Texturmodelle ein.
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Anisotropie von Linienbreiten
BGMN kann die Anisotropie von Linienbreiten in Form eines an das Kristallsystem
angepaßten Ellipsoids behandeln. In der Praxis ist die Ursache dieser
Erscheinung vor allem die Kornform, weniger eine Anisotropie von Gitterspannungen.
Daher wurde in AUTOQUANT nur die Wahl von anisotroper Kristallitgrößenverbreiterung
zugänglich gemacht. Wie bei der Texturkorrektur kann keine richtungsabhängige
Obergrenze für die Linienverbreiterung definiert werden. Es besteht
also vor allem für Phasen in geringer Konzentration (z.B. Spuren von
Biotit oder Kaolinit) die Gefahr, daß für die faktisch nicht
meßbaren hkl extrem große Linienbreiten berechnet werden, die
eigentlich nur den Untergrund oder nicht berücksichtigte Fehlordnungseinflüsse
anderer Phasen beschreiben. Damit werden dann zu hohe Skalierungsfaktoren
(und damit Gehalte) der Phasen berechnet. Analog zur Reduzierung des Grades
der Texturkorrekturfunktion wird daher in Abhängigkeit von der für
die Phase gemessenen Intensität geprüft, ob eine Anpassung anisotroper
Linienbreiten möglich ist. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen,
daß die für Schichtgitterminerale bekannte Anisotropie der Linienbreiten
meist nicht ausreichend mit diesem einfachen Modell beschrieben werden
kann. Sie erfordert vielmehr den Einsatz von Fehlordnungsmodellen (Bergmann
& Kleeberg 1997; Kleeberg & Bergmann 1997).
Dagegen ist das Teilchenformmodell für viele feinkörnige Oxide/Hydroxide
mit anisotroper Linienbreite gut anwendbar.
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Unterscheidung und Quantifizierung strukturell ähnlicher Phasen
In der Praxis der quantitativen Analyse treten vor allem dann Schwierigkeiten
auf, wenn:
-
die genaue Struktur (bzw. Mischkristallzusammensetzung) einzelner, evt.
untergeordneter Phasen aus der qualitativen Analyse nicht sicher bekannt
ist oder
-
mehrere, strukturell ähnliche Phasen (mit sehr ähnlichen Pulverdiffraktogrammen)
nebeneinander zu bestimmen sind.
Im ersten Fall würde man mit dem Rietveld-Verfahren die falsche Startstruktur
verwenden (bei traditionellen Phasenanalysen das falsche Referenzmaterial
oder die falsche Kalibrierung). Prinzipiell ist das Rietveld-Verfahren
in der Lage, vor allem für die Hauptphasen, die Strukturparameter
(z.B. die Gitterkonstanten) anzupassen. Allerdings kann das mitunter zu
mineralogisch unsinnigen Strukturen führen. Beispielsweise können
die Gitterparameter einer Albit-Startstruktur korrekt zu denen der Oligoklas-Struktur
verändert werden, ohne daß die Atompositionen und die Ca-Na-
und Si-Al-Substitution adäquat angepaßt werden und ohne daß
der Nutzer darauf hingewiesen wird. Hier bieten BGMN und AUTOQUANT die
Möglichkeit, eine Serie von Startstrukturen mit untereinander abgestimmten
Grenzen für die Gitterparameter zu definieren. Dann wird im o. g.
Fall das Ergebnis der ersten Rechnung mit an den Grenzen "angestoßenen"
Gitterparametern beendet. AUTOQUANT hebt in den phasenspezifischen Ergebnissen
solche "angestoßenen" Parameter farblich hervor. Das signalisiert
dem Benutzer, daß die Startstruktur unzutreffend ist und eine benachbarte
gewählt werden sollte. Dieses Verfahren verbessert sogar im Nachgang
die qualitative Analyse und sorgt natürlich auch für mehr Sicherheit
in der Quantifizierung. Es hat sich besonders für die Plagioklase,
die Kalifeldspäte mit unterschiedlichem Triklinitätsgrad, die
Olivinreihe und verschiedene Karbonatmischkristallreihen ausgezeichnet
bewährt.
Müssen strukturell sehr ähnliche Phasen im Gemisch bestimmt
werden, kann es bei absolut freien Gitterparametern ebenfalls zur Berechnung
von sinnlosen Werten und dann falschen Gehalten kommen. Typische Beispiele
aus der Tonmineralogie sind die Bestimmung von kleinen Mengenanteilen Paragonit
neben dominierendem Muskovit oder die Analyse von wenig Kaolinit neben
Chlorit. Auch hier stabilisiert die Definition von vernünftigen und
aufeinander abgestimmten Grenzen für die Gitterparameter und die Linienbreiten
beider Phasen die Rechnung so, daß die Phasenanalyse trotz weitgehend
variabler Parameter erfolgreich automatisch durchgeführt werden kann.
Das soll am Beispiel einer Testmischung mit bekannten Konzentrationen (Tonschiefer
Böhlscheiben mit Schlämmkaolin) gezeigt werden. Die Mischung
enthält Chlorit, Kaolinit, Muskovit-Illit, Quarz, Albit, Rutil und
Spuren von Mikroklin und Illit-Montmorillonit-Wechsellagerungen. Letztere
sind in der Übersichtsanalyse nicht mehr nachzuweisen, ihr Vorhandensein
ist nur aus der vorhergehenden Analyse der Komponenten der Mischung bekannt.
Die Messung wurde bewußt als Übersichtsanalyse (5-80°2Q,
0.05 Schritt, 5 s Zählzeit) und mit automatischer Divergenzblende
(bestrahlte Länge 15 mm) durchgeführt. Mit dieser Anordnung überlagern
sich Kaolinit 001 und Chlorit 002 so stark, daß nur
die Andeutung einer Schulter zu kleinen Winkeln an der 0.7 nm-Linie als
Beitrag von Kaolinit zu er kennen ist.
Eine weitere Messung an der gleichen Probe wurde mit Festblendenanordnung
und kleinerer Schrittweite (0.03°2Q) vorgenommen.
Hier ließ sich auf Grund der etwas höheren Auflösung die
aus älteren Untersuchungen (Kleeberg 1996) bekannte Spur Mikroklin
im Tonschiefer TB undeutlich nachweisen. Deshalb wurde für diese Auswertung
Mikroklin einbezogen.
Der Vergleich der Ergebnisse mit der Einwaage zeigt die ausreichende
Richtigkeit der Rietveld-Analyse (Tab. 4).
An diesem Beispiel wurde auch die Erfahrung gewonnen, daß eine
nicht aus reichend genaue Beschreibung der Strukturen, vor allem der sich
stark über lagernden Phasen, zu Parameterkorrelationen und entsprechenden
systematischen Fehlern führen kann. So ergibt eine Analyse an der
gleichen Messung unter Verwendung einer Idealstruktur für Chlorit
immer zu niedrige Chlorit- und zu hohe Kaolinitgehalte. Daher wurde hier
für Chlorit das bereits vorgestellte Modell der b/3-Fehlordnung verwendet
(Bergmann & Kleeberg 1997; Kleeberg & Bergmann
1997).
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Abb. 2: Übersichtsmessung,
berechnetes Diffraktogramm und Differenzkurve einer Testmischung mit Tonschieferstandard
Böhlscheiben und Schlämmkaolin Kemmlitz,
Co-Ka-Strahlung, Automatikblende, Ausgabegrafik AUTOQUANT
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Tab. 4: Ergebnisse der
quantitativen Phasenanalyse an einer Mischung Tonschiefer-Schlämmkaolin
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Erleichterung der qualitativen Phasenanalyse
In der Praxis kann bereits die herkömmliche qualitative Phasenanalyse
mittels Peaksuche und Suche in der PDF-Datenbank ein Problem darstellen,
wenn extrem viele Linien (z.B. feldspatreiche Proben) oder unterschiedlich
breite Linien (tonmineralreiche Proben) mit den (oft auch fehlerhaften)
Angaben in den Datenbanken zu vergleichen sind. Es treten Unsicherheiten
bei der Identifikation der Nebenbestandteile auf. Das gutmütige Konvergenzverhalten
von BGMN/AUTOQUANT erlaubt (im Zusammenhang mit der grafischen Ausgabe)
eine zu nächst etwas außergewöhnlich erscheinende Arbeitsweise
für komplizierte Proben:
Die Methode besteht darin, nur mit den sicher identifizierten Hauptphasen
eine Rietveld-Analyse mit AUTOQUANT zu starten. Bereits nach wenigen Iterations
schritten gestattet die ständig aktualisierte Differenzkurve durch
Peaksuche mit dem Cursor oder durch Einblenden von Linienlagen vermuteter
Nebenphasen eine leichtere qualitative Analyse, weil überlagerte Linien
der Nebenphasen in der Differenzkurve gut erkannt werden können und
die Intensitäten der aus der Struktur berechneten Diffraktogramme
viel weniger fehlerbehaftet sind als die in der PDF angegebenen. Durch
einfachen Abbruch der Rechnung, Einfügen der identifizierten Phase
und Neustart wird die Analyse vervollständigt. So sind in der Differenzkurve
auch Phasen mit wenigen und breiten Linien leichter erkenn bar als am ursprünglichen
Diffraktogramm.
Ein Beispiel ist der Nachweis von feinkristallinem Brucit in den Feinschlämmen
aus Absetzbecken der Uranerzaufbereitung und der Grubenwasseraufbereitung.
Die erste qualitative Analyse ging immerhin bereits von 10 identifizierten
Phasen (Quarz, Chlorit, Muskovit, Kaolinit, Mikroklin, Albit, Dolomit,
Calcit, Gips, Pyrit) aus. In Abb. 3 kann in der integrierten
Differenzkurve die Lage der stärksten, sehr breiten Linien von Brucit
deutlich erkannt werden.
Nach Einfügen der Brucitstruktur in die neue Rechnung sinkt Rwp
von 12.9 auf 10.2 %, es werden immerhin knapp 9 % Brucit berechnet. Die
1113 berechneten Linien von 11 Phasen werden mit 140 freien Parametern
ohne Nutzereingriff problemlos angepaßt (Abb. 4).
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Abb. 3: Messung, berechnetes
Diffraktogramm und Differenzkurve eine Feinschlamms aus der Uranerzaufbereitung,
Co-Ka-Strahlung, URD-6 10 Phasen, 1105 Peaks, 108 Parameter,
Rwp=12.9 %
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Abb. 4: Gleiches Diffraktogramm
wie in Abb. 3
Auswertung mit Brucit (insges. 11 Phasen), 1113 Peaks,
140 Parameter, Rwp=10.2 %
Berechneter Brucitgehalt 8.8 Masse-%, Kristallitgröße
von Brucit ca. 20 nm
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Rolle der Strukturdatenbank
Die im Programm AUTOQUANT benutzte Strukturdatenbank enthält neben
den in Rietveld-Programmen allgemein notwendigen Angaben wie Raumgruppe,
Gitterparameter und Atomlagenbesetzung auch:
-
das bevorzugte Modell zur Texturkorrektur und eventuell phasen spezifische
Limits für seine Anwendung
-
die Grenzen für die Gitterparameter
-
die Grenzen für die zu verfeinernden Substitutionen
-
die Wahl des Modells für die Peakverbreiterung (Kristallitgröße
oder Gitterspannungen, eventuell anisotrope Kornform) und obere Grenzen
für die Linienbreiten
-
eventuelle Formeln für Fehlordnungsmodelle.
Diese Angaben enthalten wiederum indirekt eine Reihe von mineralogischen
Spezialkenntnissen (z.B. der Definition von Mineralen innerhalb von Mischkristallreihen,
Spaltbarkeit, häufiges Auftreten von Gitterspannungen) und einen gewissen
Anteil an analytischer Erfahrung (z.B. die tolerierbare Schwankungsbreite
der Gitterkonstanten für nebeneinander zu bestimmende ähnliche
Phasen). Durch ständige Arbeit mit der Datenbank und vor allem durch
physikalisch- mineralogisch begründete Verbesserung (z.B. engere Limitierung)
von Startparametern wird eine immer höhere Sicherheit erreicht. Man
kann sagen, daß die praktischen Erfahrungen der Benutzer gespeichert
und auch dem weniger kristallografisch orientierten Anwender völlig
unbemerkt zur Verfügung gestellt werden. Es ist auf diese Weise auch
möglich, relativ schnell die über viele Jahre mit traditionellen
Methoden gewonnenen Erkenntnisse zu speziellen Systemen einzuarbeiten und
allgemein zugänglich zu machen.
Die von den Autoren benutzte Datenbank enthält zur Zeit (Juli 1998)
etwa 200 Startstrukturen. Dabei ist die Qualität zwangsläufig
unterschiedlich. Sie reicht von bereits in schwierigsten Proben und erfolgreich
an Referenzmischun gen getesteten Strukturen bis zu Datensätzen, an
denen nur (als Mindestanforderung) die Übereinstimmung der Linienlagen
mit PDF-Angaben und die korrekt berechnete Röntgendichte geprüft
wurde.
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Ausblick
Unser Ziel ist es, die Anwendung der Rietveld-Methode zur quantitativen
Phasenanalyse von immer mehr Substanzgruppen auszudehnen. Daher werden
die Strukturen weiterer gesteinsbildender Minerale in die Datenbank eingearbeitet
und getestet. Außerdem werden Fehlordnungsmodelle weiterentwickelt,
um einen wachsenden Teil der tonmineralogischen Aufgabenstellungen bearbeiten
zu können.
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Literatur
BERGMANN, J., KLEEBERG. R. (1997): Rietveld Analysis of Disordered Layer
Silicates.- Proceedings of EPDIC-V, in Druck.
BERGMANN, J., KLEEBERG, R., TAUT, T., HAASE, A. (1997): Quantitative
Phase Analysis Using a New Rietveld Algorithm - Assisted by improved Stability
and Convergence Behavior.- Adv. In X-ray Anal., in Druck.
BRINDLEY, G. W. (1945): The Effect of Grain or Particle Size on X-ray
Reflections from Mixed Powders and Alloys, considered in relation to the
Quantitative Deter mination of Crystalline Substances by X-ray Methods.-
Phil. Mag. Ser. 7 36, 347- 369.
KLEEBERG, R.: Quantitative Röntgenphasenanalyse an schichtsilikathaltigen
Gesteinen mit der RIETVELD-Methode - Probleme, Erfahrungen und Grenzen.-
Ber. DTTG Freiberg 4, 127-137.
KLEEBERG, R., BERGMANN, J. (1997): Quantifizierung von fehlgeordneten
Schichtsilikaten mit der Rietveld-Methode.- Ber. DTTG Trier 5, 35-44.
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