zurück zur Kurzfassung
        JAHRESTAGUNG DER DTTG 1998   3. - 5. September 1998, Greifswald  Berichte der DTTG e.V. - Band 6

 

Randbedingungen für die elektrochemische Bodensanierung

S. Preiss & W. Czegka
GeoForschungsZentrum Potsdam, Telegrafenberg, 14473 Potsdam


 

GLIEDERUNG
     Einleitung      Löslichkeit
     Ionenmigration      Folgerungen
     Oberflächenleitfähigkeit      Literatur
     Elektroosmose  

 
ABBILDUNGEN
Abb. 1Abb. 1. Ionenmobilitäten nach JANDER et al. 1986 Abb. 2Abb. 2. Spezifische Oberflächenleitfähigkeit als Funktion der Fluidleitfähigkeit [NaCl] Abb. 3Abb. 3. Aufbau der Phasengrenzfläche Mineral-Elektrolyt nach dem Stern-Modell (1924)
Abb. 4Abb. 4. Oberflächenladungsdichte von Montmorillonit in NaCl Abb. 5Abb. 5. pH-Wert Abhängigkeit des Zetapotentials von Montmorillonit (Mikroelektrophorese)
Abb. 6Abb. 6.  Konzentrationsabhängigkeit des Zetapotentials (Mikroelektrophorese) Abb. 7Abb. 7. Löslichkeiten verschiedener Schwermetallchloride und -sulfate Abb. 8Abb. 8.  Löslichkeit von PbCl2 und PbSO4 in HCl nach Gmelin 1969

 

Einleitung

Elektrochemische Methoden der Bodensanierung finden heute zunehmend größeres Interesse. Diese Verfahren sind auch in feinkörnigen, tonmineralhaltigen Böden anwendbar, die bei der konventionellen Bodenwäsche schwer sanierbar sind. Eine Anwendung der elektrochemischen Verfahren insitu ist denkbar. Im vorliegenden Beitrag sollen die Randbedingungen dieser Sanierungsmethode aus den elektrokinetischen Daten am Beispiel der Tonminerale Montmorillonit und Kaolin hergeleitet werden. Die elektrochemische Bodensanierung beruht auf der Migration von Ionen im elektrischen Feld. Dadurch können u.a. Schwermetalle aus Böden entfernt werden. Ferner führt das elektrische Feld zu einem Fluidtransport der als Elektroosmose bezeichnet wird. Dieser elektroosmotische Transport ist zum Austrag organischer Schadstoffe (Phenol, Benzol, etc.) nutzbar.

Top        Menü

Ionenmigration

Voraussetzung für die elektrochemische Bodensanierung ist, daß die zu entfernenden Schwermetalle als gelöste Ionen vorliegen. Dies kann durch dosierten Säurezusatz erreicht werden. Für das Entfernen der Schwermetalle ist daher die Ionenmobilität der entscheidende Parameter. In Abb. 1 sind die Mobilitäten verschiedener Ionenspezies dargestellt. Es ist ersichtlich, daß die Schwermetalle deutlich geringere Mobilitäten als H+- bzw. OH--Ionen besitzen. Der Stromverbrauch wird somit wesentlich von der Konzentration der H+/OH-- Ionen bestimmt. Aus diesem Grund sollte der pH-Wert nicht zu stark sauer werden. Um die Leitfähigkeit gering zu halten muß ein elektrolytarmes Wasser verwendet werden. Bei zu hohen Konzentrationen wird der Strom für den Transport der Elektrolyt-Ionen und nicht der Schwermetalle verbraucht.

Top        Menü

 
Abb. 1 Abb. 1: Ionenmobilität nach Jander et al. 1986

Top         Menü

Oberflächenleitfähigkeit

Die elektrische Leitfähigkeit im Boden hängt neben der Fluidleitfähigkeit auch von der inneren Oberfläche und der spezifischen Oberflächenleitfähigkeit ab. Der Anteil der Oberflächenleitfähigkeit an der Gesamtleitfähigkeit nimmt in verdünnten Lösungen zu. Schließlich wird die Oberflächenleitfähigkeit zum bestimmenden Leitfähigkeitsprozess. Dies liegt daran, daß die Fluidleitfähigkeit mit der Konzentration sehr viel stärker als die Oberflächenleitfähigkeit abnimmt. Experimentelle Daten (siehe Abb. 2) zeigen eine Abnahme der spezifischen Oberflächenleitfähigkeit mit der abnehmenden Fluidleitfähigkeit für die Tonminerale Montmorillonit und Kaolin sowie für Quarz. Da die Ausdehnung der diffusen Doppelschicht in verdünnten Lösungen zunimmt, muß der Mechanismus der Oberflächenleitfähigkeit innerhalb der starren Doppelschicht wirken (siehe Abb. 3). Die Ladungsdichte der Mineraloberfläche steigt mit der NaCl- Konzentration (siehe Abb. 4), dies erklärt die höhere Oberflächenleitfähigkeit. Die höchste Ladungsdichte und damit der Maximalwert der Oberflächenleitfähig-keit ist von der Flächendichte der austauschbaren Kationen und damit vom jeweiligen Mineral abhängig. Auch im Hinblick auf die Oberflächenleitfähigkeit ist somit eine niedrige Fluidkonzentration günstig.
Gleichung (1) (1)

 
 

sGesamt, sFluid : Elektrische Leitfähigkeit [S/m];          sS: Oberflächenleitfähigkeit [S]

FF0: Formationswiderstandsfaktor;                                 Vpor : Porenvolumen [m³]

S: Oberfläche [m²]

Top        Menü

 
Abb. 2 Abb. 2: Spezifische Oberflächenleitfähigkeit als Funktion der Fluidleitfähigkeit [NaCl]

Top         Menü


 
Abb. 3 Abb. 3: Aufbau der Phasengrenzfläche Mineral-Elektrolyt nach dem Stern-Modell (1924)

Top         Menü


 
Abb. 4 Abb. 4: Oberflächenladungsdichte von Montmorillonit in NaCl.

Top         Menü


 

Elektroosmose

Sollen unpolare organische Schadstoffe mit elektrochemischen Methoden aus dem Boden entfernt werden (z.B. Phenol), kommt nur der elektroosmotische Volumenstrom als Prozess in Frage. Die Möglichkeit dieses Prozesses wurde von Acar et al. (1992) im Labormaßstab gezeigt. Die Elektroosmose wird durch die Helmholtz-Smoluchowski-Gleichung beschrieben:
Gleichung (2) (2)


Gleichung (3) (3)



Q: Volumenstrom [m³/s]                                                               A: Fläche [m²]

ke: Elektroosmotischer Durchlässigkeitsbeiwert [m²/Vs]         U: Spannung [V]

D: Dielektrizitätszahl [C/Vm]                                                       L: Probenlänge [m]

z: Zetapotential [V]                                                                        µ: Viskosität [Pa·s]

Um den Volumenstrom bei gegebener Feldstärke zu maximieren sollte ein möglichst hohes Zetapotential (elektrisches Potential an der Scherebene vgl. Abb. 3) angestrebt werden. Abb. 5 zeigt die Abhängigkeit des Zetapotentials vom pH- Wert. Die Konzentrationsabhängigkeit ist in Abb. 6 dargestellt. Für die Elektroosmose sind verdünnte alkalische Lösungen günstig, da diese einen hohen Volumenstrom bei geringem Energieeinsatz ermöglichen. Wie in Abb. 4 gezeigt ist die Oberflächenladungsdichte bei Montmorillonit in sauren Lösungen positiv, dies führt auch zu einem positiven Zetapotential (Abb. 5). Dadurch erfolgt der elektroosmotische Transport zur Anode. Dies steht im Gegensatz zum üblicherweise beobachteten Transport zur Kathode. Der pH- Wert an dem das Zetapotential Null ist, wird als pHpzc (point of zero charge) bezeichnet (s. Abb. 5). In diesem Fall findet kein elektroosmotischer Transport statt. Die Elektroosmose in Richtung Kathode verstärkt das Vordringen der Säurefront. Im Fall des positiven Zetapotentials wird das Vordringen der Säurefront verlangsamt. Die Schwermetallanreicherung findet in diesem Fall räumlich von der Kathode entfernt statt.

Top        Menü
 


 
Abb. 5 Abb. 5: pH-Wert Abhängigkeit des Zetapotentials von Montmorillonit (Mikroelektrophorese)

Top         Menü


 
Abb. 6 Abb. 6: Konzentrationsabhängigkeit des Zetapotentials (Mikroelektrophorese)

Top         Menü


 

Löslichkeit

Die Wahl der Spülflüssigkeit sollte von der Löslichkeit der Schwermetalle abhängig gemacht werden. Die Abb. 7 zeigt deutlich, daß Salzsäure aufgrund der allgemein höheren Löslichkeiten der Chloride als Spülflüssigkeit zu bevorzugen ist. Zu Beachten ist die Bildung von Chlorokomplexen bei hohen HCl-Zusätzen. Am Beispiel der in Abb. 8 gezeigten Löslichkeiten ist der Einfluß der Bleichlorokomplexe zu sehen. Diese migrieren im Gegensatz zu den Pb2+- Ionen in den Anodenraum.

Top        Menü
 


 
Abb. 7 Abb. 7: Löslichkeiten verschiedener Schwermetallchloride und -sulfate

Top         Menü


 
Abb. 8 Abb. 8: Löslichkeit von PbCl2 und PbSO4 in HCl nach Gmelin 1969

Top         Menü


 

Folgerungen

Die Möglichkeit der elektrochemischen Bodensanierung wurde bereits von mehreren Autoren im Labormaßstab angewandt (detaillierte Literaturhinweise in Hiesel 1996). Entscheidend für die Kosten einer elektrochemischen Bodensanierung ist der Stromverbrauch pro ausgetragener Menge Schadstoff. Dieser ist bedingt durch die elektrische Leitfähigkeit des Fluids (pH-Wert, Konzentration, Ionenmobilität) und die Oberflächenleitfähigkeit der Minerale. Als prinzipiell neuer Ansatz für die Anwendbarkeit des Verfahrens in der Bodensanierung wird hier die Optimierung der Prozeßparameter (Fluidleitfähigkeit, Oberflächenleitfähigkeit, Zetapotential) in Abhängigkeit vom Mineralgehalt vorgestellt. Es können folgende Schlußfolgerungen abgeleitet werden:
  1. Die Mobilisierung der Schwermetalle muß durch einen Säurezusatz sichergestellt werden. Die größten Schwierigkeiten sind hier beim Blei mit den geringsten Löslichkeiten zu erwarten.
  2. Der Säurezusatz darf nicht zu hoch gewählt werden (pH > pHpzc) um den elektroosmotischen Wassertransport als unterstützende Maßnahme zu gewährleisten und den Stromverbrauch zu begrenzen.
  3. Unpolare Schadstoffe sollen dagegen im alkalischen Bereich saniert werden, um den elektroosmotischen Volumenstrom zu optimieren.
Die Überführung der optimierten elektrochemischen Bodensanierung in den Technikumsbereich steht noch aus.

Top        Menü
 


 

Literatur

ACAR, Y. B., LI, H., GALE, R. Y. (1992): Phenol removal from kaolinite by electro-kinetics.- J.Geotech.Eng., 118 (11), 1837-1852.

Autorenkollektiv (1969): Gmelins Handbuch der anorganischen Chemie Blei 47, Teil C Lieferung 1, S. 47.

HIESEL, E. (1996): Elektrokinetische Bodensanierung. Einsatzmöglichkeiten in KW-kontaminierten Feinklastika.- Unveröff. Dipl.-Arbeit, TU Karlsruhe, 109 S.

JANDER, G., JAHR, K. F., SCHULZE, G. (1986): Maßanalyse: Theorie und Praxis der Titrationen mit chemischen und physikalischen Indikatoren.- Berlin, New York, de Gruyter, S. 233.

STERN, O. (1924): Zur Theorie der elektrolytischen Doppelschicht.- Z. Elektrochem., 30, 508-516.

Top        Menü